2013 erschien das von Naughty Dog entwickelte The Last of Us für die PlayStation 3. Knapp ein Jahr später erschien die Remaster-Version für die neue Konsolengeneration. Bis heute zählt der Sony-Exklusivtitel zu einem der größten Aushängeschilder der PlayStation. Ganze sieben Jahre lang mussten die Fans auf eine Fortsetzung des mehrfach preisgekrönten PlayStation-Exklusivtitels warten. Nun hat das Warten am 19. Juni 2020 nach mehreren Verschiebungen ein Ende gefunden. Der Hype zu der Fortsetzung war unfassbar riesig. Die Spieler wollten schließlich wissen, wie es nach dem offenen Ende des ersten Teils mit Joel und Ellie weitergeht. Kann The Last of Us Part II die riesigen Erwartungen der Fans erfüllen oder waren die sieben Jahre Wartezeit umsonst?
EINE REISE, WELCHE ZUSAMMENSCHWEISST
Die Odyssee auf der Suche nach den Fireflies hat Joel, den Protagonisten aus Teil 1, und Ellie, welche gegen das Cordyceps immun ist, sodass man mit ihrer Hilfe ein Heilmittel hätte herstellen können, mächtig zusammengeschweißt. Auf Ihrer Reise haben sie viel gemeinsam erlebt und waren stets füreinander im Überlebenskampf gegen die Infizierten da. Sie gaben also ein eingespieltes Duo ab. Joels Auftrag lautete, Ellie zu den Fireflies zu eskortieren, sodass diese an dem eben erwähnten Heilmittel arbeiten können. Es kam jedoch alles ganz anders. Joel hatte bereits zu Beginn des Spiels seine Tochter Sarah verloren. Seine Bindung zu Ellie war inzwischen so stark, dass sie fast schon eine Ersatztochter für ihn darstellte. Als Joel erfuhr, dass Ellie bei der Operation sterben würde, fackelte er nicht lang – er erledigte die Fireflies im Krankenhaus, samt Anführerin Marlene, und rettete Ellie auf eigene Faust vor ihrem Tod. Das Ende des ersten Teils blieb jedoch offen, weshalb die Fans seit Jahren sehnsüchtig auf die Fortsetzung warteten.
DIE REISE GEHT WEITER
Nach dem offenen Ende vom Vorgänger setzt The Last of Us Part II fünf Jahre nach den Ereignissen von The Last of Us an. Joel und Ellie haben sich mittlerweile in einer Siedlung in Jackson, Wyoming, niedergelassen. Auch Tommy und Maria, zwei bekannte Charaktere aus dem Vorgänger, sind im zweiten Teil wieder dabei und leben in derselben Siedlung. Insgesamt offenbart sich die Beziehung zwischen Joel und Ellie als ziemlich angespannt, da Ellie Joels Fürsorge nicht mehr akzeptieren will. Verständlich, schließlich ist Ellie inzwischen um einiges älter und reifer geworden. Währenddessen baut Ellie eine intensive Beziehung zu ihrer Mitbewohnerin Dina auf. Ein dramatischer Vorfall bringt die vermeintliche Idylle zu Fall – Ellie bereitet sich nun auf einen ausgiebigen Rachefeldzug vor.
Die Story bietet einem fast alles – Trauer, Schock, Hass, Verlust. All das macht die Story von The Last of Us Part II so einzigartig. Das hat auch bei mir sichtlich Spuren hinterlassen. Ich habe zusammen mit Ellie viel gelacht, war oft schockiert und sogar sprachlos und musste mir an der ein oder anderen Stelle auch ein Tränchen von der Wange wischen. Selten hat mich eine Geschichte so in ihren Bann gezogen. Man hat als Spieler wirklich das Gefühl, man stecke mittendrin.
FAST SCHON LEBENSNAH
The Last of Us war bereits ein ansehliches Spiel. Was Entwicklerstudio Naughty Dog jedoch in der Fortsetzung hingezaubert hat, ist einfach nur bildschön. Mit The Last of Us Part II treibt Naughty Dog die PS4 bis an ihre Grenzen. Im Übrigen erfolgte dieser Test auf einer normalen PS4. Auf der PS4 Pro sieht das Spiel wahrscheinlich noch besser aus. Was es mir aber vor allem angetan hat, ist das Blut. Normalerweise ist Blut nie eine wirklich „schöne“ Sache, aber bei The Last of Us Part II wäre es fast schon fatal, wenn es keine Erwähnung bekommen würde. Selten sah Blut in einem Videospiel so gut und realistisch aus. Gerade frisches Blut an Wänden hat mich besonders vom Hocker gehauen, da es allmählich die Wand bis zu einem gewissen Punkt herunterfließt. Auch Ellie bekommt hin und wieder etwas Blut ab. Dieses beginnt nach einer Weile zu trocknen, wodurch es einen dunkleren Farbton annimmt und sichtlich vom Stoff ihres Oberteils aufgesogen worden ist.
Das Blut ist nur ein Beispiel für die atemberaubende grafische Präsentation des Spiels. Es sieht insgesamt unglaublich gut aus und man merkt, dass Naughty Dog nochmal alle Reserven der PS4 für ihr Spiel nutzen wollte. Red Dead Redemption 2 ließ mir schon zu Release im Jahr 2018 die Kinnlade runterklappen, aber The Last of Us Part II spielt in einer ganz anderen Liga.
Eine weitere beeindruckende Errungenschaft ist die Detailtreue und Auswirkung der Gesichtseindrücke der Charaktere: Mimik und Gestik spielen im zweiten Teil der Reihe eine sehr wichtige Rolle. Sei es das schmerzverzogene Gesicht Ellies beim Rausziehen eines Pfeils aus ihrer Schulter oder während eines lautlosen Kills von hinten. Die Mimik der Charaktere wirkt so echt und glaubwürdig, dass man oftmals nicht ohnehin kommt, mit den Charakteren mitzufühlen.
NEVER CHANGE A RUNNING SYSTEM
Auch die deutschen Synchronsprecher, die die Synchronrollen für den ersten Teil übernommen haben, sind wieder am Start. Joel, Ellie, Maria und Tommy wurden wieder von denselben Sprechern synchronisiert, was für mich ein riesiger Plus-Punkt ist. Schließlich macht es das ganze Erlebnis für Spieler des Vorgängers viel angenehmer, wenn die originalen Sprecher aus dem Vorgänger wieder an Bord sind und den Charakteren ihre Stimme verleihen. Zumal die Synchronsprecher in The Last of Us bereits einen wirklich guten Job geleistet haben. Die Stimmen passen einfach gut zu den Charakteren – warum sollte man sie also austauschen?
NEU AUFGEGRIFFENER UND POLIERTER GAMEPLAY-URSCHLEIM
Kenner des ersten Teils werden mit der Steuerung wohl kaum Probleme haben. Schließlich bleibt die Grundsteuerung gleich. Lediglich neue Features wurden ergänzt, um dem Spiel noch eine eigene Note zu verleihen. Neu ist beispielsweise das Kriechen in Bauchlage, welches das Stealth-Gameplay enorm verbessert und auch aufgrund des neuartigen Level-Designs dringend notwendig ist. Ebenfalls gewisse Rätsel muss der Spieler wieder bewältigen. Diese gestalten sich etwas anspruchsvoller als im Vorgänger. So muss man Seile oder Kabel werfen, um neue Wege zu schaffen oder einen Generator mit der Stromquelle zu verbinden. Besonders bemerkenswert bei diesen Rätseln ist simulierte Verhalten der Seile und Kabel, das dem physikalisch korrekten Verhalten ihrer realen Pendants nachempfunden ist.
Während der ersten paar Minuten war ich allein schon aufgrund der geschmeidigen Steuerung fasziniert. Bei kaum einem anderen Spiel haben sich die Bewegungsabläufe und Interaktionen des Protagonisten so „smooth“ angefühlt. Das liegt auch an den sehr detaillierten und flüssigen Animationen, beispielsweise wenn sich Ellie aus dem Sprinten heraus durch einen Hechtsprung in Bauchlage begibt. Daraufhin kann Ellie vom Boden egal, ob aus Rückenlage, Seitenlage oder ganz normal in Bauchlage, ihre Waffen abfeuern.
BEREITS BEKANNTE FEATURES WURDEN LEICHT ANGEPASST
Im Grunde genommen ist The Last of Us Part II seinem Vorgänger sehr ähnlich. Trotzdem ergibt sich ein einzigartiges, unverkennbares Spielerlebnis. Features aus dem Vorgänger wurden größtenteils übernommen und leicht angepasst und erweitert. So gibt es immer noch das Crafting-Menü, den Skill-Tree und die Tasche mit Fundstücken wie Notizen oder Briefen. Auch der Lauschmodus findet im Nachfolger seine erneute Verwendung. Durch diesen können Infizierte oder andere Gegner aufgespürt werden. Außerdem kann der Lauschmodus mithilfe des Skill-Trees verbessert werden. Dazu müssen lediglich Pillen gesammelt werden, welche über die relativ offene Spielwelt verteilt sind.
Apropos Spielwelt, diese gestaltet sich, wie gerade erwähnt, deutlich offener als im Vorgänger. Es wird nun großen Wert auf Erkundung und vor allem das Looten gelegt. Wer darauf keine Lust hat, der kann das zwar außen vor lassen, muss jedoch mit starken Einbußen an Ressourcen und wertvoller Munition rechnen. Looten lohnt sich also und stellt ein elementares Element des Nachfolgers dar.
GEWALT, GEWALT UND NOCHMAL GEWALT – MUSS DAS SEIN?
Wie bereits eingangs erwähnt, ist mit The Last of Us Part II ein sehr hoher Gewaltgrad verbunden. Wem das nicht bekommt oder wer das nicht mag, der sollte vermutlich Abstand von dem Spiel nehmen. Ich stecke normalerweise im Bezug auf Gewalt und Blut in Videospielen so einiges weg, aber im zweiten Teil hat es mir an einigen Stellen teils wirklich den Magen umgedreht. Zumal es sich in dem Spiel um wirklich realistische Gewaltdarstellung handelt, was bei Spielen wie Doom beispielsweise nicht der Fall ist. Das Abtrennen von Gliedmaßen mit einer Schrotflinte, das Durchschneiden einer Kehle oder das Unkenntlichmachen eines Gesichtes durch einen gezielten Kopfschuss mit einem Gewehr oder auch die ein oder andere Folterszene sind nur ein paar grausame Dinge, die einen durch das Spiel begleiten.
Jetzt stellt sich natürlich die Frage, ob so viel Gewalt und Blut in einem Videospiel wirklich sein müssen – ich würde sagen, ja. Selbstverständlich werden solche Dinge von Spielern oftmals etwas kritisch beäugt, doch dieser hohe Grad an Gewalt passt einfach zum Gesamtkonzept des Spiels. So wird die Handlung nochmal ganz deutlich unterstrichen und es entsteht ein viel immersiveres Spielerlebnis. Außerdem zwingt es den Spieler dazu, gewisse Handlungen hin und wieder zu hinterfragen. Der Gewaltgrad spielt also förmlich mit dem Spieler und regt ihn zum Nachdenken an.
ALLES FÜHLT SICH SO „RICHTIG“ AN
Nicht nur die erstaunlich geschmeidige Steuerung faszinierte mich. Auch die authentische Soundkulisse macht viel her: Das Zerklirren von Glas beim Zerschlagen einer Scheibe klingt intensiv und realitätsnah. Auch Schießereien klingen sehr realistisch. Projektile, die an Ellie vorbeipeitschen, lassen nicht nur sie, sondern auch einen selbst zusammenzucken. Manchmal hat man das Gefühl, man säße selbst hinter der Deckung und bekäme die Geschosse nur so um die Ohren geschossen. Alle diese Faktoren tragen zu dem immersiven Spielerlebnis bei, welches Naughty Dog vermitteln möchte. Der Spieler soll bewusst mit in die Handlung hineingezogen werden. Generell sei zu sagen, dass das Entwicklerstudio dies aber mal sowas von geschafft hat.
Beeindruckend ist auch die Gegner-KI. Diese ist nun deutlich aufmerksamer und taktischer in ihrem Vorgehen als noch im Vorgänger. Findet ein Gegner einen toten Komplizen fallen sogar die Reaktionen auf dessen Tod unterschiedlich aus. Meist schreit derjenige jedoch und erwähnt den Toten sogar namentlich. Gegner können auch in etwa orten woher ein Schuss, selbst wenn dieser schallgedämpft war, herkam, insofern der Tod direkt gesehen wurde. Etwas, was ich auch in noch keinem anderen Spiel in dieser Form gesehen habe.