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Filmkritik: Unsane – Ausgeliefert

Steven Soderbergh? Allein wenn der Name des Regisseurs erklingt, werden viele Film-Fans aufhorchen. Und wenn zusätzlich noch Details bekannt werden, dass der Ausnahme-Regisseur den ganzen Film auf einem iPhone gedreht hat, er hinter Kamera- und Cutter-Synonymen steckt, da werden auch Nicht-Soderbergh-Fans aufhorchen. Mit „Unsane – Ausgeliefert“ liefert der Regisseur sein neuestes Experiment ab, das laut ihm zu der „befreiendsten Erfahrung“ seiner Karriere gehört. Hohe Töne. Erleben wir demnach ein ähnliches Film-Vergnügen wie bei „Traffic“ oder „Out of Sight“? Mehr noch, Unsane ist für mich einer der besten Soderbergh-Filme und mein bisheriges Film-Highlight 2018.

Und das liegt, vorneweg gesagt, vor allem einem einfachen Erfolgsrezept: außergewöhnliche schauspielerische Leistung, die sich in der Enge einer psychiatrischen Anstalt entfalten kann und welche durch die Verfolgerperspektive eines iPhones eine besonders intensive Wirkung erzielt. Denn „Unsane“ muss mit anderen Qualitäten punkten als Optik, denn dank dem iPhone ist der Film natürlich kein CGI-Feuerwerk im Sinne eines Marvel-Superhelden-Films. Doch das will der Psychothriller auch gar nicht, und das ist auch gut so, denn er will eine Geschichte erzählen, die einem sprichwörtlich unter die Haut fährt und ein gesellschaftliches Tabu-Thema gnadenlos anprangert, so dass es einem auch nach dem Kino-Besuch im Kopf hängen bleibt.

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Sawyer Valentini ist wegen ihres Jobs als Analystin bei einer Bank in eine neue Stadt gezogen. Die junge Frau ist attraktiv, ehrgeizig und zielstrebig, also steht einer tollen Karriere und Leben nichts im Wege? Denkste! Denn Claire Foy lässt bereits zu Beginn des Films erahnen, dass ihre Figur ein dunkles Geheimnis mit sich herumträgt, was dem Zuschauer durch verschiedene aggressive und merkwürdige Verhaltensweisen der jungen Dame deutlich wird. Doch Soderbergh inszeniert diese Vorahnung nicht plump, sondern dezent und lässt vor allem im ersten Drittel des Films Sawyers Verhalten im Kontrast der iPhone-Perspektive verdeckt durchscheinen. Spätestens, wenn die geheimnisvolle Frau sich per Tinder einen Mann angelt und diesen direkt in ihr Bett befördern will, dann aber plötzlich eine Angstattacke erleidet und diesen wieder aus dem Haus schmeißt, wird dem Zuschauer klar, da liegt Einiges im Argen. Denn Sawyer leidet unter Verfolgungswahn. Im Film wird nach und nach deutlich, dass sie einen Stalker hatte, der zwar zum Zeitpunkt des Filmgeschehens nicht mehr physisch ihr Leben begleitet, aber immer wieder auf Gesichtern anderer Männer in ihrem Leben auftaucht.

In solch einem Zustand kann man beim besten Willen kein neues Leben starten, also beschließt Sawyer sich Hilfe beim Psychiater zu holen. Nach einer Sitzung in der Anstalt Highland Creek bittet die Psychiaterin Sawyer nach ihrem Gespräch nur einige „unwichtige“ Dokumente zu unterschreiben, was sich im ersten Clou des Films äußert: Ohne es zu wissen, hat sich Sawyer selbst für 24 Stunden in die Anstalt eingewiesen. Hier beleuchtet Soderbergh eine unlautere Praxis mancher Krankenhaus-Konzerne, die Auslastung der Betten so hoch wie möglich zu halten und so Geld einzelner Patienten von deren Versicherungen abzuschröpfen. Ob wahr oder unwahr, für Saywer beginnen Stunden voller seelischer Qualen und Begegnungen mit so manch verrückten Geist in den verwinkelten Räumen der Anstalt. Was durch den Ort, die Szenen und auch die Figuren-Konstellation sehr an eine Hommage an „Einer flog über das Kuckucksnest“ erinnert, entpuppt sich jedoch dank Sawyers Charakter in eine wilde Thrillerfahrt. Denn trotz Anruf bei Polizei und Unterstützung der Mutter gelingt es Sawyer nicht, rauszukommen. Im Gegenteil, die Frau wird durch ihre berechtigten Wutanfälle gegenüber Patienten und Pflegern als „verrückt“ eingestuft und darf nicht nur 24 Stunden, sondern einige Tage länger da bleiben. Als Sawyer jedoch plötzlich bei der Tabletten-Ausgabe in einem Pfleger ihren Stalker David Strine (Joshua Leonard) wieder erkennt, muss sie sich selbst fragen, ob sie wirklich verrückt geworden ist oder ihr Alptraum vergangener Tage real geworden ist.

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Die begrenzte Spielfläche der Klinik nutzen die Schauspieler gekonnt aus, um ihre Figuren und deren Hintergründe zu entfalten. Gerade der Konflikt von Sawyer und ihrem vermeintlichen Stalker David gehören mit zu den Höhepunkten des Films. Der Handlungsverlauf und die Talfahrt Sawyers bis in die Extreme verlaufen über schrägen bis bitterschwarzen Humor, Psycho- und Thriller-Elemente bis hin zu blankem Horror. Die Twists und Überraschungen sind gut platziert und inszeniert. Zwar lässt sich das Ende schnell vorhersehen, doch tragen letztlich die Schauspieler das Geschehen und man ist gerne Fahrgast in Soderberghs düsterem Stalker-Alptraum. Betroffene oder Menschen mit Verfolgungswahn sollten den Film jedoch womöglich meiden, denn das Thema wird nicht nur angerissen, sondern bis zum blutigen Ende präsentiert.

Hervorzuheben ist Claire Foys Leistung, die als starke Sawyer Valentini in der psychiatrischen Anstalt sich durchaus ihrer Haut zu erwehren weiß, aber gerade auch im Dialog mit ihren Mit-Patienten Nate (Jay Pharoah) ihren verletzlichen Charakter offenbart. Auch sollte Joshua Leonard nicht untergehen, der als vermeintlicher Stalker David Strine einem mit seiner beklemmenden Darstellung durchaus ein realen Eindruck vermittelt.

„Unsane – Ausgeliefert“ läuft ab 29.03.2018 in den deutschen Kinos an.

Unsere Wertung

Pros

    Cons

      Fazit

      Soderberghs Ansatz, Stalking auf eindrucksvolle, aber auch schreckliche Weise im Setting einer psychiatrischen Anstalt darzustellen, geht auf, doch verliert sich der Film im letzten Drittel etwas zu sehr in trashigem Horror. Die eindeutigen Höhepunkte liegen zweifellos in Sawyers Begegnungen mit den Personen in der Anstalt selbst und wie sie sich und ihr Leben dadurch neu definieren muss. Davon hätte ich gerne mehr gesehen. Hier hätte man vielleicht doch etwas mehr Inspiration von Jack Nicholson in "Einer Flug über das Kuckucksnest" holen können. Letztlich hat man mit Soderberghs iPhone-Film einen rasanten Psychothriller, der einen bis zur letzten Minute mitnimmt.
      9
      Großartig

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